Die neue Schule
(der Artikel wurde der Zeitung Udestedt 2019: "Kleines Dorf - Große Geschichte" entnommen)
Aufzeichnungen des Pfarrers Carl Gottreich Magnus Lincke, in der Heimatglocke (Ausgabe Mai 1931) und in der Chronik von Udestedt (erarbeitet von Frau Scheuermann) geben Auskunft über die neue Schule in Udestedt.
Die erste Schule wurde wahrscheinlich im 16. Jahrhundert von der Kirche im Zuge der Reformation eingerichtet. Der Lehrer erhielt seine Besoldung von der Kirche. Dazu wurde ihm vor allem Acker zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt. 1918 erfolgte die Trennung von Kirche und Staat. Der Staat übernahm fortan an die Schule.
In Udestedt gab es eine Mädchen- und Knabenschule. Um 1868 wurde der Bau einer neuen Schule beschlossen, weil die Schulkinder viel zu eng in einem alten und baufälligen Schulhaus saßen. Die Schulbehörde wollte das Schulhaus hinter dem Kantorat Richtung Stotternheim bauen. Die Gemeinde lehnte dies jedoch ab, weil der Zugwind an der Kantoratsecke für die Kinder zu empfindlich sei und die Kinder noch über die Straße zur neuen Schule gehen sollten. Viele Kinder hätten diesen beschwerlichen Weg viermal am Tag laufen müssen.
Die Gemeinde hatte eine andere Idee. Ein altes Wohnhaus wurde gekauft und zusammen mit der daneben stehenden alten Mädchenschule abgerissen. Der Schulvorstand und der Gemeinderat entschieden sich für den vom Baukonstrukteur Wolschner in Weimar ausgearbeiteten Entwurf. Es erfolgte die feierliche Grundsteinlegung am 4. März 1868. Lehrer, Kinder und Udestedter versammelten sich am alten Schulhaus, liefen zum Bauplatz und sangen das Lied: "Mit Gott sei Alles angefangen". Der Pfarrer hielt eine Rede und betete um Gottes Gnade und Segen. Dann erfolgte die Grundsteinlegung mit den üblichen drei Hammerschlägen von Seiten des Pfarrers, Lehrers und Bürgermeisters.
Zur Freude, aber auch zur Verwunderung der ganzen Gemeinde wurde zügig gebaut. Von der Großartigkeit des Gebäudes war man jedoch überrascht und missbilligende Stimmen sprachen von einer Kaserne oder auch einem Palast. Nun steht unsere Schule schon seit 1869 - das spricht doch für diesen damaligen soliden Bau.
Am 8. August 1869 nach der Nachmittagskirche erfolgte nun die Einweihung. Es wurde das Lied "Unser Eingang segne Gott" gesungen. Der Pfarrer hielt die Weihrede und der Bürgermeister übergab den Schlüssel den neuen Bewohnern. Dann wurden die Kinder in die helle und geräumige Schule geführt, denen sich natürlich die Erwachsenen mit großen Augen anschlossen. Anschließend wurde die eigentliche Feier mit dem Gesang des Liedes: "Nun danket alle Gott" beendet. Mit festlicher Musik an der Spitze zogen alle zum damaligen Festplatz (heute Spielplatz auf dem Karlsplatz). Dort wurde gefeiert. Zur besonderen Auszeichnung des Tages erhielt jedes Kind eine Bratwurst mit Semmel.
In der neuen Schule wurden die Klassen nicht mehr nach Geschlecht, sondern nach Alter und Fähigkeiten getrennt unterrichtet.
Für das Erfurter Landgebiet wurde bestimmt, dass Schulmeister und Kirchner nicht nur den Katechismus lehren sollten, sondern auch Unterricht erteilen sollten.
An dem neben dem Schulgebäude stehenden Kantorat, das aus dem Jahre 1698 stammt, erinnert eine Gedenktafel an Tobias Friedrich Bach. Er war der Neffe des berühmten Johann Sebastian Bach und von 1721 bis 1768 Kantor in Udestedt. Auf vielen Dörfern, so auch in Udestedt, gab es zur damaligen Zeit eine entwickelte Musikkultur.
Das Schulgebäude wurde seit seiner Errichtung immer als Schule genutzt, auch während der beiden Weltkriege. Nach der Gründung der DDR war das Gebäude Schulteil der Polytechnischen Oberschule Kerspleben. Kinder aus den umliegenden Gemeinden und aus Udestedt wurden in den Klassen 1 bis 7 unterrichtet. In dieser Zeit war der Schülerzuwachs teilweise so angestiegen, dass eine Klasse nach Kleinmölsen ausgelagert und dort unterrichtet werden musste. Im oberen Stockwerk musste das Dach ausgebaut werden, um Platz für zwei weitere Klassenräume zu schaffen. Die Hortbetreuung war in einer Neusiedlerbaracke gegenüber des Schulgebäudes untergebracht.
Nach der Wende im Jahre 1991 wurde die eigenständige Staatliche Grundschule Udestedt gegründet. Seither hat sich vieles verändert. Nun lernen die Kinder aus den Gemeinden Markvippach, Bachstedt, Eckstedt, Udestedt, Kleinmölsen, Großmölsen und Ollendorf in den Klassen 1 bis 4 in einer komplett sanierten modernen Schulanlage. Historische Elemente wie Fassade, Türen und Fenster wurden so wiederhergestellt, wie sie zur Schulgründung auf alten Fotos zu sehen sind. Auf drei Etagen verteilen sich sechs Klassenräume, ein Computerzimmer, die Schulbibliothek, das Lehrerzimmer, das Schulleiterzimmer, das Sekretariat, ein Lehrmittelraum, der Speiseraum und die Ausgabeküche. Alle Räume sind freundlich und hell nach einem eigenen Farbkonzept gestaltet und funktionell eingerichtet.
Auf dem Schulgelände gibt es einen Schulhofbereich mit Buntsteinpflaster und einen Grünbereich mit Klettereinrichtungen und einem großen Trampolin für Sport und Spiel.
Gegenüber dem Schulgebäude befindet sich der im Jahre 2002 neu errichtete Mehrzweckkomplex mit Turnhalle, Werkenraum und den Toiletten. Weiterhin gehört ein ruhig gelegener Schulgarten zur Schulanlage. Im September 2012 haben wir unser neues Hortgebäude bezogen. Davor waren unsere Kinder nach der Wende in der Schäfergasse untergebracht. Dieses neue Haus bietet modernste Bedingungen für die Ganztagsbetreuung, welche auch von 98 Prozent der Schüler gern besucht wird.
Fünf Gruppenräume mit großen, herausgesetzten Panoramafenstern laden vor und nach dem Unterricht ein, gemeinsam die zahlreichen Aktivitäten wahrzunehmen. So haben wir mit unserem 150 – jährigen Schulgebäude, dem Mehrzweckkomplex und dem neuem Hortgebäude auf einem Standort ideale Bedingungen für eine Ganztagsschule.
Der nach der Wende wieder zum Vorschein gebrachte, weit lesbare Segen Gottes: „Euren Ein-und Ausgang segne Gott“ erzählt noch ein wenig von der Patenschaft zwischen Kirche und Schule.